Moretum

Moretum ist ein römisches Rezept für, nun ja, heute würden wir sagen, Brotaufstrich. Überliefert ist Moretum im Vergil zugeschriebenen Moretum-Gedicht und in De re rustica von Columella. Es gibt nicht das eine Moretum-Rezept, sondern schon mit bloß diesen beiden Versionen erkennt man eine große Schwankungsbreite der Zutaten, und man kann froh sein, dass sich überhaupt jemand die Mühe gemacht hat, so ein Rezept, dass doch sowieso jeder kennt, aufzuschreiben.

Im selbst mit meinen beschränkten Lateinkenntnissen einfach zu übersetzenden Rezept von Columella werden Bohnenkraut, Minze, Weinraute (nicht für Schwangere da abtreibende Wirkung!), Koriander, Selleriegrün und Schnittlauch – alternativ Schlotten von Frühlingszwiebeln –, Salatblätter (ich weiß nicht, wie weit die Römer schon die Salatzucht getrieben hatten – vom Gefühl her würde ich für folia lactucae Römersalat oder Salatherzen nehmen), Rauke, Thymian, Katzenminze und Poleiminze (wenn dann nur in kleinsten Mengen verwenden, da leicht giftig) in einer Reibschale mit jungem salzhaltigem (Schafs-)Käse verrieben, was mit Pfeffer und Essig abgeschmeckt wird und zum Schluss mit Öl übergossen wird. Als Alternativen schlägt er Rezepte auf Basis von Walnüssen (als herbstliche Variante) oder geröstetem Sesam statt Käse oder unter Verwendung von Pinienkernen, Haselnüssen oder Mandeln zusätzlich zum Käse vor. Für die Zeiten, in denen es keine frischen Kräuter gibt, schlägt er getrocknete Poleiminze, Thymian, Oregano und getrocknetes Bohnenkraut vor.

Im Moretum-Gedicht werden enorme Mengen Knoblauch – vier Knollen (nicht Zehen!) werden hier genannt, allerdings ist nicht ersichtlich, auf welche Menge Käse sich das bezieht oder ob überhaupt aller Knoblauch in der Reibschale landet – mit gut gereiftem Hartkäse, etwas Salz und je ein paar Blättchen Weinraute, Koriander und Selleriegrün vermörsert und mit etwas Essig und Öl abgeschmeckt.

Man sieht, der Vielfalt sind kaum Grenzen gesetzt. Ob Käse reinkommt, und wenn ja als junger oder alter Käse, steht nicht fest. Bei den Kräutern finden Weinraute, Sellerie und Koriander bei beiden Autoren Erwähnung, aber sonst scheint alles zu gehen, was der Garten gerade hergibt. Essig und Öl kommen zwar in allen Varianten vor, aber in völlig unterschiedlichen Mengen. Von Knoblauch ist bei Columella gar nicht die Rede, dafür schlägt er Varianten mit Nüssen vor – spätestens hier wird eine gewisse Verwandtschaft mit dem heutigen Pesto erkennbar, nur dass die Römer sich anscheinend kaum für Basilikum begeistert haben.

Meine Version ist ganz deutlich ans Pesto angelehnt und mit den mir zugänglichen Kräutern zubereitet. Als Käse nehme ich Pecorino, weil der mir einfach besser schmeckt. Als weicheren Käse kann man Feta nehmen. Ein Schnittkäse aus Schafmilch dürfte dagegen nur schlecht zu mörsern sein. Die in den Originalrezepten aufgeführten Kräuter sind in größeren Mengen für unseren heutigen Geschmack zu kräftig, weshalb ich überwiegend Salatkräuter nehme, mit ein paar Blättchen Weinraute oder anderen kräftig schmeckenden Kräutern, um dem ganzen etwas Pfiff zu verleihen. Da das Römische Reich schon ein ganzes Weilchen nicht mehr existiert, braucht man sich um die Authentizität keine Sorgen machen, denn wir können ja ohnehin kein originales Moretum mehr kosten – und überhaupt gab es vermutlich eine Vielzahl von Hausrezepten und die alten Römer werden Moretum ganz nach ihrem eigenen Geschmack und nach der jahreszeitlichen Verfügbarkeit der Zutaten zubereitet haben. Eine Anpassung an den eigenen Geschmack und vor allem an den eigenen Kräuteranbau (bzw. an das Angebot des nächsten Supermarktes) widerspricht also keinesfalls dem Geist der Originalrezepte.

Die Zutaten werden in der hier aufgeführten Reihenfolge im Mörser zerrieben, bis eine gleichmäßige Konsistenz erreicht wird. Man nehme für eine Portion:

  • 1 Knoblauchzehe zum Ausreiben des Mörsers
  • 1 EL Pinienkerne oder gehackte Walnüsse oder geriebene Haselnüsse oder geriebene Mandeln
  • 1 EL Salatkräuter nach Wahl, grob gehackt
  • ein paar Blättchen Weinraute, Sellerie und Koriander oder andere kräftig schmeckende Kräuter, gehackt
  • 1 EL geriebenen Pecorino (bei Zubereitung ohne Nüsse die doppelte Menge Käse)
  • Olivenöl, soviel wie zum Erreichen einer pastösen Konsistenz nötig ist
  • Essig, Salz und Pfeffer zum Abschmecken

Was kräftig schmeckende Kräuter sind und was eher unter den Begriff Salatkräuter fällt, hängt sowohl vom persönlichen Geschmack (Koriander fällt für manche unter Salatkraut, für andere ist es dagegen nur in homöopathischen Dosen zu genießen, wenn überhaupt) als auch von der Quelle der Kräuter ab – ein Thymianzweig aus dem eigenen Garten schmeckt ungleich kräftiger als ein Zweig von einer Supermarktpflanze.

Dieser Beitrag wurde bereits 1022 x gelesen.

Kommentieren



prof. habakuk tibatong, Samstag, 20. April 2019, 12:22
etwas ähnliches gibt es auf den kanarischen inseln und nennt sich almogrote . die rezepturen variieren etwas aber die grundzutaten sind harter ziegenkäse gerieben , viel knoblauch , chili , butter oder öl , salz .